Als Diplompsychologin und Sozialkonzeptbeauftragte, mit mehr als 30 Jahre Casinoerfahrung und das Sozialkonzept massgeblich mitentwickelt habe, verfüge ich über eine einzigartige Innen- und Aussenansicht der Aufgabenstellung, was den theoretischen, praktischen und wissenschaftlichen Bereich angeht.
Vor fast 37 Jahren wurde ich in Deutschland als eine der ersten Frauen, am französischen Roulette ausgebildet. Ich war damals völlig ahnungslos, und habe eine mir bis dahin unbekannte Welt des Glücksspiels betreten. In den folgenden Jahren erlebte ich dann viel Leid von Spielern. Es war am Anfang eine sehr faszinierende Tätigkeit in einem Bereich, in dem niemand über Spielsucht sprach oder Bescheid wusste, obwohl das Phänomen immer präsent war. Das änderte sich für mich, als sich ein Gast in direktem Zusammenhang mit dem Glücksspiel das Leben nahm. Ich war fassungslos und suchte nach einer Antwort auf die Frage, was ich hätte tun können.
An erster Stelle fand ich meine eigene Verantwortung über das Thema Spielsucht Bescheid wissen zu müssen. Ich fing an in Bremen Psychologie zu studieren, ging auf internationale Fachtagungen und begegnete dort 1998 neben anderen Experten, wie Jörg Petry, damals Leiter der Psychosomatischen Fachklinik Münchwies und Ilona Füchtenschnieder vom Fachverband Glücksspielsucht und Piet Remmers aus Holland, Dr. Andreas Canziani aus der Schweiz und erfuhr von Konzepten, an denen man arbeitete, um einen geeigneten Spielerschutz unter Einbezug der Casinos aufzubauen. Das war genau, was ich gesucht hatte und ich richtete meinen Studienschwerpunkt darauf aus, was es in einem Spielbetrieb braucht, um Spielerschutz zu installieren.
Der Hauptaspekt lag für mich in der Früherkennung vor Ort, welche nur von den Mitarbeitern einer Spielbank geleistet werden konnte und deshalb schrieb ich eine empirische Diplomarbeit zum Thema „Personalschulungen in Spielbanken zur Prävention und Erkennung von Spielsucht“.
2001 machte ich mit einem Berliner Regisseur für die Reihe 37° im ZDF den Beitrag "Der Spieler“ und durchbrach damit eine Tabuzone in der Casinoszene. In Deutschland waren die Reaktionen recht schwer auszuhalten, da man mich als Nestbeschmutzer beschimpfte und für verrückt erklärte eine Verantwortung beim Anbieter zu sehen. Die meisten wollten die gesamte Verantwortung für Spielsucht lieber beim Spieler lassen. In der Schweiz begegnete mir dafür das Gegenteil und die Hochschule Luzern zeigte den Film viele Jahre zu Schulungszwecken und überhaupt war hier der ganze Bereich Glücksspiel im Aufbau, wo meine Erfahrungen und die Offenheit erwünscht waren. Ich schulte selbst in der Schweiz und entwickelte im weiteren Verlauf zusammen mit einigen anderen Experten und Sozialkonzept-beauftragten die Sozialkonzeptstandards (Operativer Teil des Sozialkonzeptes) der Schweiz.
Dr. Canziani, Dr. Frederic Soum, Hans Fluri, und Renanto Poesdpodihardjo sind wohlgeschätzte befreundete Kollegen von mir geworden und wir haben gemeinsame Arbeiten und Fachtage gemacht.
2011 habe ich die Casinobranche ganz verlassen und seit dem nur noch Sozialkonzeptschulungen und Beratungen gemacht und auch Spieler unterstützt. 2008 wurden die Beratungsstellen in Deutschland zum Thema Sozialkonzept von mir geschult und ich bin Mitglied des FAGS und unterstütze die Arbeit des Verbandes mit Beiträgen.
Ich möchte mein internes und externes Wissen, welches ich aus dem Betrieb, dem Umgang mit Spielern, den Schulungen, den Rechtsfragen und der Wissenschaft habe, sinnvoll einbringen, insbesondere, da die Genehmigung von Onlinecasinos in der Schweiz eine Welle von Problemen mit sich bringen wird.
Gute Prävention, sichere (Selbst)Früherkennung und Motivation zu Verhaltensänderung, besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehe ich in den nächsten Jahren als meine Aufgabe.
Herzliche Grüsse
Glückspiele sind Michèle Wilhelms Beruf - und das schon seit mehr als 20 Jahren. Begonnen hat sie als Croupier, dann studierte sie Psychologie. Heute arbeitet sie im Basler Grand Casino und hat dort ein Sozialkonzept gegen die Spielsucht entwickelt - daneben arbeitet sie als Leiterin der Tischspiele. Dabei beobachtet sie seit Jahren, dass die Menschen - je schlechter die Zeiten, umso intensiver ihr Glück am Spieltisch suchen.